Eine andere Sprache zu sprechen, als die eigene Muttersprache, hat mich schon immer gereizt. Ich weiß nicht, ob es einen bestimmten Grund gibt, oder ob es doch an einem Sammelsurium an Gründen liegt. Vielleicht ist es die Möglichkeit, eine neue Persona anzunehmen, wenn man die Sprache wechselt. Man muss erst seine Stimme finden. Anfangs ist man unbeholfen, man übersetzt jeden Satz von der vertrauten in die unvertraute Sprache, in der Hoffnung, seinen Punkt genau so rüberzubringen, wie man es in diesem Moment braucht. Man lernt, vor allem durch Fehler und Versprecher und vielleicht auch peinliche Aussagen, die man so gar nicht beabsichtigt hatte. Aber genau dieser Prozess macht für mich den Charme aus. Es ist aufregend und unvorhersehbar und so so so lehrreich. Und irgendwann erwischt man sich selbst, und das neue Ich blickt einem entgegen. Ganz anders und doch gleich. Wie die Lieblingsschriftart, nur in kursiv. Oder die Lieblingsfarbe, nur etwas blasser. Oder intensiver?
Vielleicht liegt es aber auch an meinem unstillbaren Fernweh. Wenn ich könnte, wäre ich überall, nur nicht hier. Und eine Sprache öffnet einem Türen in die vielen Welten, die sich außerhalb der eigenen Blase befinden. Es ist eine ganz andere Erfahrung, wenn man Teil davon wird. Die Gespräche in der Straßenbahn sind nicht nur ein Rauschen im Hintergrund sondern ein Teil des Moments, der an Facetten und Tiefe gewinnt. Ein Ort wird greifbarer und real.
Ich hege und pflege diesen Traum, unzählige Sprachen zu sprechen. Und wenn ich realistisch darüber nachdenke, wird das wohl niemals umzusetzen sein. Doch die Vorstellung alleine macht mich schon froh. Das hat doch auch etwas.
Wenn ich ehrlich bin liebe ich es aber auch, Sprachen nicht zu verstehen. Vielleicht bin ich zu neugierig, aber sobald ich jemanden sprechen höre, die Worte für mich aber unverständlich sind, spitze ich meine Ohren. Anhand von Tonfall, Betonung und Lautstärke male ich mir aus, worum es wohl gehen könnte, welche Emotionen die Person vermitteln möchte und wie sich die für mich unklaren Worte auf meinen Lippen anfühlen würden. Wäre es nicht spannend, die Realität mit der von mir geschaffenen in Echtzeit vergleichen zu können? Vielleicht hat meine Fantasie in einer der vielen Situationen zufällig der Realität die Hand geschüttelt. Unwahrscheinlich, und doch ein schöner Gedanke.
♪ SUGA’s Interlude – Halsey + SUGA