04032022

Nun ist es wohl soweit. Um mich herum sind alle schwanger. Meine beste Freundin, meine Freundin die mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand, meine frühere Kommilitonin, mein Cousine und meine Kindergartenfreundin. Alle bekommen sie Babies, geben ihr Erbgut weiter und gehen einen neuen Abschnitt in ihren Leben an. Und hier sitze ich nun, auf dem Fußboden in meinem früheren Spielzimmer bei meinen Eltern, müde von einer anstrengenden Arbeitswoche und inmitten einer Quarter Life Crisis (oder ist es schon eine Midlife Crisis?!). Ich bin an einem Tiefpunkt angekommen und kein Wegweiser ist in Sicht, der mir die richtige Richtung anzeigt. Alle anderen haben einen Plan.

So wirkt es zumindest. Allesamt Wunschkinder. Das setzt einen gewissen Plan voraus. Zumindest einen Gedanken, der in die Tat umgesetzt wurde, sonst gäbe es jetzt keine Ungeborenen in den Bäuchen meiner Vertrauten.

Bei jeder einzelnen Verkündung habe ich mich gefreut. Es war jedes Mal ein Schock und doch keine Überraschung. Ein Schock, weil es mir immer wieder vor Augen geführt hat, dass wir nicht mehr achtzehn sind und unser Erwachsenenleben nicht gerade erst begonnen hat. Keine Überraschung, weil ich sowas wie einen sechsten Sinn für Schwangerschaften habe. Ich spüre das, obwohl alle viel zu weit weg wohnen und ich es nicht wirklich riechen hätte können.

Die letzte Baby News liegt nun knapp 45 Minuten zurück und – es mag schrecklich egozentrisch klingen – mir wurde ganz schwer ums Herz.

Als ich noch klein war, wollte ich immer Mama werden. Ich hatte nicht diesen einen Traumberuf, aber ich wusste immer, dass ich Kinder haben möchte. Sogar das passende Familienauto hatte ich schon ausgesucht und ich kann bis heute nichts mit Autos anfangen. Drücken wir nun auf die Vorspultaste, um im hier und jetzt anzukommen, und von diesem Wunsch ist nichts mehr übrig. An meinem Horizont sehe ich keine Kinder. Ob das an meinem ausgeprägten Feminismus und dem Drang liegt, gegen das klassische Frauenbild zu rebellieren, oder ob es doch einfach nur die Tatsache ist, dass ich zu den Frauen gehöre, die sich eben doch nicht fortpflanzen wollen, weiß ich nicht. Vielleicht ist Der Zeitpunkt auch noch nicht gekommen. Wer weiß? Genau das ist es aber, was mich zerreißt.

Ich habe in den letzten Jahren mit vielen Müttern gesprochen, vor allem älteren Kolleginnen, die allesamt davon überzeugt waren, dass der Wunsch irgendwann aufkommen wird. “So war das bei mir auch.” Doch ich bin nicht mehr Anfang zwanzig, die Uhr wird viel zu bald anfangen zu ticken. Doch was, wenn ich diese Uhr gar nicht besitze? Wenn ich das Ticken nicht höre? Nicht hören möchte?

Nicht zu wissen ist schrecklich. Für mich.

Ich beneide all diejenigen, die selbstsicher diese neue Rolle annehmen. Sie wirken so bestimmt, fast so, als hätten sie ihr zukünftiges Ich dabei beobachtet, wie sie das alles meistern. Wenn ich von Frauen höre, die ganz genau wissen, dass sie diese Rolle nicht einnehmen wollen, bin ich ebenso fasziniert. Ja, fast neidisch. Woher kommt diese Klarheit? Diese absolute Überzeugung, diesen Entschluss nicht irgendwann zu bereuen?

All die Baby News haben mich zum Nachdenken gebracht. Am Ende des Tages kümmern wir uns eben doch nur um uns selbst und eine Nachricht im Leben eines anderen hat auch immer eine Bedeutung in dem eigenen. Ich bin traurig, dass ich diesen Wunsch eines eigenen Kindes nicht selbst verspüre. Vor allem jetzt, in einer Zeit, in der ich mit meinem Beruf und Alltag hadere, könnte es einen guten Zeitpunkt machen. Doch dieses tiefe Gefühl ist nicht da. Und vielleicht wird es nie da sein… Vielleicht werde ich nie diesen finalen Entschluss treffen sondern einfach der Natur die Entscheidung übergeben. Vollendete Tatsachen eben. Und bis dahin wird mich diese Frage wohl begleiten – sowohl in meinem eigenen Kopf, aber leider wohl auch meinem Umfeld und den sozialen Normen geschuldet.

❝ The Practice of Not Thinking, A Guide to Mindful Living – Ryunosuke Koike