Über das Überarbeiten statt des Schreibens

Wenn ich an einem Projekt weiterschreiben, bleibe ich oft am Lesen des bereits geschriebenen hängen. Ich bin so fasziniert von den Worten die mein Vergangenheits-Ich geschrieben hat, dass ich gar nicht aufhören kann, sie zu lesen. Das heißt jetzt nicht, dass meine Worte meisterhaft sind. Absolut nicht. Ich weiß nicht was ich tue und ich wie ich es am besten tun soll. Und dennoch komme ich nicht davon los. Ich fixiere mich auf das, was schon da ist und verliere leider viel zu oft aus den Augen, dass ich auch im hier und jetzt noch weitere Worte hinzufügen könnte.

Dieses Problem kam bei meinen letzten zwei Projekten auf. Immer und immer wieder. Eigentlich jedes Mal, wenn ich mich hingesetzt hatte, um zu schreiben. Und es war nicht leicht mich zu motivieren. Die vielen Gedanken, Zweifel und Ängste waren eine riesige Hürde für mich. Wenn ich es dann endlich geschafft hatte, das Dokument zu öffnen, kam es dennoch viel zu oft vor, dass nichts neues entstand. Seit dem letzten Schreiben war so viel Zeit vergangen, dass ich mir das, was in der Geschichte bereits passiert war, noch einmal in Erinnerung rufen musste. Also las ich meine Worte, rümpfte an manchen Stellen meine Nase und machte mich dann ans Werk, alles zu überarbeiten, was noch besser klingen könnte. Als mir bewusst wurde, was geschah, war schon so viel Zeit vergangen, dass keine Zeit mehr für das Schreiben da war. Also speicherte ich meinen Fortschritt und schloss das Dokument.

Nur dass mein Fortschritt gar kein Fortschritt war. Vielleicht hatten sich hier und da ein paar Worte neu angereiht. Im großen und ganzen wurden aber die einen durch andere ausgetauscht, umgestellt oder komplett gestrichen. Meine Geschichte war immer noch da, wo ich sie vor Tagen, vielleicht sogar Wochen, unterbrochen hatte. Meine Frustration wuchs stetig, einhergehend mit der Angst zu Versagen, der Angst es nicht schaffen zu können.

Erst als ich meine zweite Idee in die Abstellkammer gelegt hatte, fasste ich einen Entschluss – den Entschluss, es von nun an anders zu machen. Leichter gesagt, als getan. Doch als ich mit meiner neuen Idee angefangen hatte, passierte tatsächlich etwas. Ich verbat mir zu lesen, was bereits da war, lediglich die letzten Sätze waren erlaub. Und tatsächlich, ich habe bis heute noch nicht angefangen alte Worte durch neue zu ersetzen. Mein Ziel ist immer noch einen ersten Entwurf zu verfassen, die Geschichte einfach herunterzuschrauben und beobachten, was auf dem Weg dorthin passiert. Danach habe ich immer noch die Möglichkeit zu überarbeiten, was mir nicht gefällt. Und wenn ich darauf keine Lust mehr habe, ist das völlig in Ordnung. Das war ja nie mein Ziel.

Der positive Nebeneffekt dieses Kreiseziehens war die Erkenntnis, dass Überarbeiten mir unheimlich viel Spaß macht. Ich habe es genossen, Sätze neu zu formen und ganze Textpassagen zu polieren. Bevor ich überhaupt die ersten Worte zu Papier gebracht hatte, hatte ich immer Angst vor dem Moment gehabt, eine Geschichte abzuschließen… was passiert danach? Jetzt weiß ich, dass danach etwas kommt, was mir vielleicht sogar noch mehr Spaß macht als das eigentliche, erste Schreiben.