Wenn Kreativität zur Zwangsjacke wird

Was ich immer als eine meiner Stärken betrachtet hatte, war mein Hang zur Kreativität. Es gab für mich nie eine Grenze, die ich nicht überschreiten konnte, um mich kreativ auszudrücken. Egal ob es ums Schreiben geht, Malen, Musizieren – ausprobiert habe ich vieles. Und damit einhergehend auch lieben gelernt.

Vielleicht ist es etwas persönliches, vielleicht weiter verbreitet, als ich es mir gerade vorstellen kann, doch Kreativität fiel mir in letzter Zeit schwer. Und es ist schade, diese Worte nun schwarz auf weiß vor mir zu sehen, habe ich noch vor wenigen Wochen voller Zuversicht in die Zukunft geblickt. Doch mein Drang zum Schaffen ist gerade nicht mehr befreiend, nicht mehr im geringsten befriedigend, sondern das genaue Gegenteil. Ich fühle mich eingeengt, zugeschnürt und die Spannung wird langsam so groß, dass ich drohe zu zerbersten. Der Gedanke, dass die Dinge, die mich doch eigentlich erfüllen sollten, mir Sorgen bereiten, für die ich im Alltag absolut keine Zeit und keinen Platz habe, lässt diesen Druck weiter steigen. Ich erwische mich dabei, wie ich gedankenverloren auf mein Bücherregal starre, in mir dieses rastlose Gefühl, das nicht abebbt. Dieses Gefühl, etwas tun zu müssen, nicht sinnlos dazusitzen. Einfach machen. Doch wieso ist es so schwer – einfach machen?

Man liest es immer wieder – Kreative Menschen die sich selbst im Weg stehen, die ihre eigenen größten Kritiker sind und die sich nie selbst überzeugen können mit dem was sie schaffen. Ist es nicht eine eigene Form von Sadismus?

Dieser Gedanke, nicht alles in den wenigen freien Stunden umsetzen zu können, der einen lähmt und die Dunkelheit zu füttern scheint. Die freien Stunden, die damit verbracht werden zu zweifeln, an einem Selbst, am eigenen Schaffen und an dem Ziel, das nicht näher zu rücken scheint. Das Ziel, das vielleicht gar nicht wirklich ein Ziel ist, denn wieso sollte es eins sein, wenn man sich einfach nicht dazu bringen kann, weiter darauf zuzugehen? Das Ziel, das immer weiter verschwindet und Platz lässt für die Zweifel, die einen komplett einnehmen, die einem einreden, nicht gut genug zu sein, es nicht genug zu wollen.

Vielleicht ist ein Hang zur Kreativität auch einfach nur das: Ein Hang zur Kreativität. Nur weil man gerne schreibt, heißt das noch lange nicht, dass man es gut kann, dass man dem ernsthaft nachgehen sollte. Nur weil man gerne malt, heißt das noch lange nicht, dass man eine Zukunft darin findet, die genauso bunt ist wie die Farben, die man auf die Leinwand bringt. Vielleicht führt dieser Hang zur Kreativität nur zu Fantasien, die viel zu fantastisch sind, um in diese Welt zu passen, und so die eigene Realität in Chaos und Verzweiflung stürzen.

Die Hände sind mir gebunden. Die Zwangsjacke so fest geschnürt, dass keine Bewegung möglich ist, weder vor, noch zurück.

Ist Kreativität ohne Hang zur Selbstzerstörung und Dramatik überhaupt möglich?