Ventil

Schreiben war schon immer ein Ventil für mich gewesen, mit Gefühlen umzugehen, sie zu verarbeiten, und wenn nötig auch komplett abzuschütteln. Auch wenn ich noch so traurig, verzweifelt oder verärgert war, jedes geschriebene Wort löste etwas in mir. Während mein Stift über das cremeweiße Papier kratzte, meine Schrift immer unleserlicher wurde, da ich mich selbst hetzte, alles loszuwerden, geschah genau das: Die dunkle Wolke, die über mir und nur mir zu schweben schien, wie in einem Cartoon, hellte sich langsam auf. Die Blitze, die wütend auf mich einschlugen wurden leichter, die Regentropfen prasselten nicht mehr ganz so gewaltvoll auf mich ein, bis die Wolken sich schließlich hinter ersten Sonnenstrahlen versteckten. Sie waren zaghaft, ja, ganz leicht, als würden sie einem vermitteln wollen, dass sich der Himmel jeden Augenblick wieder zuziehen könnte, sie nur einen Versuch gestartet hatten, meine Welt wieder ins Helle zu rücken. Doch das Licht gewann. Und langsam aber sicher wichen die Wolken über mir zur Seite.

Vor einer Woche hatte ich einen neuen Beitrag verfasst. Meine Emotionen während des Schreibens schwankten zwischen aufgebracht sein, Unzufriedenheit und allgemeiner Überforderung. Genau das liest man auch heraus. Man wartet auf die Pointe, auf die positive Wendung, doch diese lässt vergeblich auf sich warten. Ich hatte es in diesem Moment nicht geschafft, das Gute in meiner Verzweiflung zu finden. Dass die App auf meinem iPhone nicht richtig zu funktionieren scheint hat mich davor bewahrt, diese Zeilen der Verbitterung mit dem niemals vergessenden Internet zu teilen. Nach mehrfachen Versuchen, den Artikel online zu stellen, habe ich aufgegeben. Ich habe das “Hochladen fehlgeschlagen” akzeptiert.

Auch wenn niemand diese Zeilen zu Gesicht bekommen wird, bin ich dennoch froh, dass ich sie mir von der Seele geschrieben habe. Ich kann mich zwar noch sehr gut in diese Gedanken hineinversetzen – es ist ja gerade Mal eine Woche her – doch die Gefühlslage ist für mich nicht mehr abrufbar. Ich habe abgelegt, was meinen inneren Frieden blockiert hatte und kann nun wieder positiv nach Vorne blicken. Es ist absurd, war das doch genau einer der Knackpunkte meines Chaos’, die Unfähigkeit, das Gute zu sehen.

Manchmal vergesse ich, wie viel Kraft meine geschriebenen Worte haben – für mich. Oft merke ich erst Tage später, nachdem ich etwas zu Papier gebracht habe, dass genau das der Grund war, wieso ich mich etwas leichter fühle. Schreiben als Ventil.